Wenn Worte zu Beweisen werden – Unser Besuch im Amtsgericht
Als 9. Klässler sollten wir einen Klassenausflug zum Amtsgericht in Heidelberg unternehmen, um einen Einblick in das deutsche Rechtssystem zu erhalten und den Ablauf eines Gerichtsverfahrens kennenzulernen. Deshalb trafen wir, also die Klasse 9a, uns am 12.11. um 7.30 Uhr in der Schule mit unserer Gemeinschaftskundelehrerin Frau Dr. Sellner und unserer Klassenlehrerin Frau Kieckhäfer-Wüst. Gemeinsam fuhren wir mit der S-Bahn zum Amtsgericht. Um etwa 8.30 Uhr ging der Gerichtsprozess los.
Beim ersten Gerichtsverfahren handelte es sich um eine Anklage wegen eines sexuellen Übergriffs. Bei dem Angeklagten handelt es sich um einen jungen Mann, der eine Frau, unter anderem in einem Bus sexuell belästigte haben soll.
Sie begegneten sich das erste mal am Bahnhof, wo er sie um eine Zigarette bat und sich auf Französisch mit ihr unterhielt. Er soll sich im Bus neben sie gesetzt haben, obwohl die Geschädigte ihn darum gebeten haben soll, dies nicht zu tun.
Nachdem er sie im Bus belästigt haben soll, soll er ihr bis zu ihrer Wohnung gefolgt sein und sie dort noch gegen eine Wand gedrückt haben. Sie schaffte es aber dennoch, sich von ihm zu lösen und gelangte in ihre Wohnung.
Das Gerichtsverfahren lief folgendermaßen ab: Nachdem die Anwesenheit überprüft worden war, las die Staatsanwältin die Anklageschrift vor. Der Angeklagte schilderte seine Sicht der Tat und stritt die Vorwürfe ab. Laut seiner Aussage kam es im Bus nur zu einem gegenseitigem Küssen. Danach sollen sich ihre Wege getrennt haben. Nach dem Klären möglicher Fragen wurden die Zeugen, darunter die Geschädigte, ihr Verlobter, der die erste Person war, die ihr nach der Tat begegnete und eine Polizistin, die sich mit der Anklage beschäftigt hatte, nacheinander hinzugeholt. Die Geschädigte sollte nochmal die Situation schildern, wobei es ihr schwerfiel, sich an alles zu erinnern, aber sie konnte auf die Nachfragen der Richterin jeweils antworten und wirkte dadurch sehr viel glaubwürdiger als der Angeklagte, dessen Aussagen oft im Zusammenhang wenig Sinn ergaben und der sich selbst mehrmals widersprach und Schwierigkeiten hatte, die Fragen der Richterin zu beantworten. Der Verlobte der Geschädigten sollte von dem Morgen nach dem Vorfall berichten und sollte einige Fragen bezüglich des Verhaltens seiner Verlobten in der Zeit nach dem Vorfall berichten. Seine Aussagen über den Morgen, an dem seine Verlobte in ihre gemeinsame Wohnung gelangte, waren sehr ungenau, da er das erste Mal als er zu der Situation befragt wurde, aussagte, dass er seine Verlobte weinend auf dem Sofa im Wohnzimmer auffand und beim zweiten Mal, dass sie sich zu ihm ins Bett legte und er sie fragte, was los sei, weil ihr Verhalten auf ihn merkwürdig wirkte. Die Zeugen sagten alle zu Gunsten der Geschädigten aus.
Die Staatsanwältin schlug in ihrem Schlussplädoyer eine Haftstrafe von einem Jahr und acht Monaten vor. Die Verteidigerin des Angeklagten wies anschließend auf strafmildernde Umstände hin, zum Beispiel dass der Angeklagte zum Zeitraum der Tat betrunken gewesen sein soll.
Nach einer kurzen Beratung verkündete die Richterin das Urteil: Der Angeklagte wurde für schuldig befunden und zu einer Haftstrafe von einem Jahr und acht Monaten ohne Bewährung verurteilt, weil die Darstellung der Geschädigten deutlich glaubwürdiger wirkte als die des Täters.
Eigentlich war geplant, dass wir uns ein zweites Gerichtsverfahren ansehen, doch aufgrund eines Antrags auf Ausschluss der Öffentlichkeit mussten wir den Gerichtssaal verlassen.
Der Ausflug war zusammenfassend sehr interessant und aufschlussreich und es hat uns sehr geholfen den Verlauf eines Gerichtsverfahrens besser nachzuvollziehen. Unserer Meinung nach ist ein Besuch im Amtsgericht eine gute Möglichkeit den Unterricht zu erweitern. Wir könnten uns auch vorstellen das Gericht nochmal zu besuchen.
Yara Engelmann, Emma Hufnagel und Mia Loesch 


