Geschich­te

War­um aber beschäf­ti­gen wir uns in der Schu­le denn über­haupt mit dem Ver­gan­ge­nen? Nur wer his­to­ri­sche Ereig­nis­se, deren Hin­ter­grün­de und Zusam­men­hän­ge ver­steht, be-greift auch sei­ne eige­ne, gewor­de­ne Gegen­wart und wird Schlüs­se für die Zukunft zie­hen kön­nen. Welt­ver­ste­hen nen­nen wir Geschichts­di­dak­ti­ker das Ziel moder­nen Geschichts­un­ter­richts.

Das Fach Geschich­te ist mit dem Bil­dungs­plan von 2004 von der Klas­se 7 in die Klas­se 6 gerutscht, seit 2016 könn­te sogar schon in Klas­se 5 begon­nen wer­den. Dadurch müs­sen kom­ple­xe Inhal­te und Struk­tu­ren zu Ägyp­ten, Grie­chen­land und Rom noch mehr vom Geschichts­leh­rer „erzählt“ wer­den,  da die meis­ten Schü­le­rin­nen und Schü­ler in die­sem Alter aus Sicht der Ent­wick­lungs­psy­cho­lo­gen noch zu kei­nem abs­trak­ten Begriffs­ler­nen fähig sind. Der chro­no­lo­gi­sche Durch­gang bis zur deut­schen Ein­heit 1990, den es auch wei­ter gibt, endet mit der Klas­se 9. Die Klas­se 10 wid­met sich in den nächs­ten Jah­ren noch expli­zit den Wur­zeln unse­rer euro­päi­schen Iden­ti­tät. Aber wenn in ein paar Jah­ren der neue Bil­dungs­plan 2016 in Klas­se 10 ange­kom­men ist, wird die Glo­bal­ge­schich­te mit der ver­glei­chen­den Betrach­tung drei­er Welt­rei­che, dem Osma­ni­schen Reich bzw. der Tür­kei, Chi­nas und der Sowjet­uni­on in den Mit­tel­punkt gerückt. Die unter dem Stich­wort „Fens­ter zur Welt“ im Bil­dungs­plan ver­an­ker­te Glo­bal­ge­schich­te ist sicher eine fäl­li­ge und begrü­ßens­wer­te Neu­aus­rich­tung des Geschichts­un­ter­richts. Sie ergänzt, kon­kre­ti­siert und rela­ti­viert bis­wei­len die natio­na­le und euro­päi­sche Aus­rich­tung des GU dar­über.

Vor Ort lebt Geschichts­un­ter­richt vor allem von den Geschichts­leh­rern, von deren Fas­zi­na­ti­on für ihr Fach und ihrem Enga­ge­ment. Geschichts­un­ter­richt lebt im Beson­de­ren auch von Exkur­sio­nen, Ver­an­stal­tun­gen und Pro­jek­ten.  Exkur­sio­nen blei­ben einem Schü­ler oft mehr im Gedächt­nis ver­haf­tet als der all­täg­li­che Unter­richt. Besu­che im Tech­no­se­um Mann­heim las­sen Segen und Fluch der Indus­tria­li­sie­rung bis hin zur Indus­trie 4.0 anschau­lich wer­den. Fahr­ten zu Gedenk­stät­ten des NS-Ter­rors wie ins elsäs­si­sche KZ Natz­wei­ler-Strut­hof ver­mit­teln auf sehr emo­tio­na­le Wei­se das dun­kels­te Kapi­tel der deut­schen Geschich­te und tra­gen dazu bei, dass das Max-Born-Gym­na­si­um eine „Schu­le ohne Ras­sis­mus“ bleibt. Besu­che im Dia­log­mu­se­um und in der Pauls­kir­che in Frank­furt, den Gedenk­stät­ten für die deut­schen Frei­heits­be­we­gun­gen in Ras­tatt und Ham­bach ver­mit­teln unse­ren Schü­lern, dass unse­re frei­heit­lich-demo­kra­ti­sche Grund­ord­nung geschicht­lich gewor­den und immer auch Gefah­ren aus­ge­setzt ist. Dies sind nur eini­ge Bei­spie­le für die regel­mä­ßig statt­fin­den­den außer­un­ter­richt­li­chen Akti­vi­tä­ten der Fach­schaft Geschich­te. Hin­zu kom­men zahl­rei­che Stu­di­en­fahr­ten mit his­to­ri­schem Schwer­punkt, die neu ein­ge­führ­te Ber­lin­fahrt für die 10. Klas­sen und vie­le Besu­che an außer­schu­li­schen Lern­or­ten im Rah­men der Semi­nar­kur­se, z.B. dem Gene­ral­lan­des­ar­chiv Karls­ru­he oder Kreis­ar­chiv Laden­burg.

Pro­jek­te sind das Salz in der Sup­pe eines jeden Geschichts­un­ter­richts. Davon zeugt  auch unser NS-Pro­jekt, das in Zusam­men­ar­beit mit der Uni­ver­si­tät Hei­del­berg im Schul­jahr 2015/16 statt­fand: Unser von der Robert-Bosch-Stif­tung geför­der­tes Denk­werk „Begeg­nun­gen vor Ort – Ver­wal­tungs­ge­schich­te und NS-All­tag“.   Schü­ler einer 9. Klas­se, der Geschichts­kurs der K1 und der Semi­nar­kurs unter­such­ten unter Lei­tung von  Elli Plett und Joa­chim Phil­ipp inten­siv Spiel­räu­me und Alter­na­ti­ven im Han­deln der Ver­wal­tung vor Ort wäh­rend der Zeit des Natio­nal­so­zia­lis­mus. Bei die­sen Pro­jek­ten wer­den aus Schü­lern For­scher. Beson­ders hier wur­de im Sin­ne einer gym­na­sia­len Bil­dung wis­sen­schafts­pro­pä­deu­tisch gelernt und gear­bei­tet.

High­lights und wich­ti­ger Bei­trag der Fach­schaft für die gesam­te Schul­ge­mein­schaft sind auch zahl­rei­che Ver­an­stal­tun­gen zu his­to­ri­schen The­men. Eini­ge sei­en hier stell­ver­tre­tend genannt:

  • Vor­trag von Dr. Wieck, ehe­ma­li­ger Prä­si­dent des BND, zum Mau­er­fall vor 25 Jah­ren für Schü­ler der Kurs­stu­fe
  • Besuch des DDR-Bür­ger­recht­lers und Schrift­stel­lers Lutz Rathe­now mit Unter­stüt­zung der Lan­des­zen­tra­le für poli­ti­sche Bil­dung
  • Errich­tung eines Stücks Ber­li­ner Mau­er im Men­zer-Park durch Schü­ler des Abitur­jahr­gangs 1990

Das Denk­werk „Begeg­nun­gen vor Ort – Ver­wal­tungs­ge­schich­te und NS-All­tag“ ermög­lich­te es, vier unter­schied­li­che Akteurs­grup­pen – Schü­ler und Leh­rer sowie Lehr­amts­stu­den­ten und Wis­sen­schaft­ler ver­schie­de­ner Sta­tus­grup­pen – im Rah­men einer ein­jäh­ri­gen Bil­dungs­part­ner­schaft in ein lau­fen­des wis­sen­schaft­li­ches Pro­jekt ein­zu­bin­den. Ziel des Denk­werks war es, ers­te Ergeb­nis­se des am His­to­ri­schen Semi­nar der Uni­ver­si­tät Hei­del­berg ange­sie­del­ten zeit­his­to­ri­schen For­schungs­pro­jek­tes „Geschich­te der Lan­des­mi­nis­te­ri­en in Baden und Würt­tem­berg in der Zeit des NS“ pro­duk­tiv mit der loka­len All­tags­ge­schich­te der Hei­mat­or­te der betei­lig­ten Schü­ler zu ver­knüp­fen. Das For­schungs­pro­jekt frag­te nach Hand­lungs­spiel­räu­men von Lan­des­ver­wal­tun­gen in der NS-Dik­ta­tur und streb­te eine Sozi­al- und Kul­tur­ge­schich­te des Ver­wal­tungs­han­delns an, indem es auch auf die Akteu­re der mitt­le­ren und unte­ren Ebe­ne abziel­te, die sich hin­ter den büro­kra­tisch genorm­ten und auf den ers­ten Blick weit­ge­hend for­ma­len Ver­wal­tungs­ab­läu­fen ver­ber­gen. Dabei wur­den auch Gen­der-Aspek­te berück­sich­tigt, zumal sich die Zusam­men­set­zung des Per­so­nals kriegs­be­dingt wan­del­te und zeit­ge­nös­si­sche Ver­ständ­nis­se von Geschlecht und Geschlech­ter­rol­len in Fra­ge stell­te. Das For­schungs­pro­jekt streb­te zudem an, auch einen Bei­trag zur Fra­ge der Kon­struk­ti­on und Wirk­mäch­tig­keit von regio­na­len Iden­ti­tä­ten zu leis­ten.

Betei­lig­te am Max-Born-Gym­na­si­um (von rechts nach links): Prof. Dr. Frank Enge­hau­sen, Tuto­rin Vanes­sa Hilss, Prof. Dr. Cord Are­n­des, Tuto­rin Julia Schön­tha­ler, StR‘ Elli Plett, StD Joa­chim Phil­ipp

Das Denk­werk wur­de von der Robert-Bosch-Stif­tung geför­dert und war eine Koope­ra­ti­on des Lehr­stuhls für Public Histo­ry der Uni­ver­si­tät Hei­del­berg (Prof. Dr. Cord Are­n­des), des For­schungs­pro­jekts „NS-Lan­des­mi­nis­te­ri­en in Baden und Würt­tem­berg“ (Prof. Dr. Frank Enge­hau­sen), des Max-Born-Gym­na­si­ums Neckar­ge­münd (StD Joa­chim Phil­ipp, StR’in Elli Plett) und des Bun­sen-Gym­na­si­ums Hei­del­berg (StD’in Ulri­ke Falk­ner und StR Andre­as Adolphs). Am Max-Born-Gym­na­si­um  wur­de das Pro­jekt von der Klas­se 9b (Fr. Plett), dem Kern­fach Geschich­te K 1 (Hr. Phil­ipp) und dem Semi­nar­kurs „NS Herr­schaft in der Regi­on“ (Fr.Plett/ Hr.Philipp) gestal­tet.  Über ein Jahr arbei­te­ten Schü­le­rIn­nen und Lehr­kräf­te inten­siv und sehr erfolg­reich zusam­men mit den stu­den­ti­schen Tuto­rin­nen Julia Schön­tha­ler und Vanes­sa Hilss. Sie waren das Bin­de­glied zwi­schen Uni­ver­si­tät und Schu­le. Die Ergeb­nis­se sind auf der Home­page des Minis­te­ri­en­pro­jekts publi­ziert und zum The­ma „Baden 1933“ von Prof. Enge­hau­sen, StR‘ Plett, StD‘ Falk­ner und Frau Hilss im neu­es­ten Heft der Lan­des­zen­tra­le für poli­ti­sche Bil­dung BW ver­öf­fent­licht:

Wei­te­re Infor­ma­tio­nen: Prä­sen­ta­ti­on Denk­werk 2015.pdf

Links

Pro­jekt „NS in Neckar­ge­münd und Umge­bung“ des MBG im Kon­text des For­schungs­pro­jekts der Uni­ver­si­tät Hei­del­berg „Geschich­te der Lan­des­mi­nis­te­ri­en in Baden und Würt­tem­berg in der Zeit der NS“

NS-Minis­te­ri­en-BW

Denk­werk der Robert-Bosch-Stif­tung „Begeg­nung vor Ort Ver­wal­tungs­ge­schich­te und NS-All­tag“ Part­ner: Uni Hei­del­berg und MBG Neckar­ge­münd und Bun­sen-Gym­na­si­um Hei­del­berg

Bosch Stif­tung

Uni­ver­si­tät Hei­del­berg Denk­werk

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