Die Physiker

„Für wen sich meine Patienten halten, entscheide ich – ich kenne sie weitaus besser als sie sich selbst.“ Die schizophren-überdrehte Chefärztin Dr. Mathilde von Zahnd, brillant gespielt von Eva Hantmann, bzw. Gina Paulus in der zweiten Aufführung, hat von Anfang an die Zügel in der Hand. Gekonnt spielt sie die Physiker, deren wissenschaftliche Erkenntnisse ihr zur Macht verhelfen sollen, und die Justiz – personifiziert durch Kommissar Voss – gegeneinander aus. Die Zuschauer wundern sich zunächst nur über ihre manischen Verhaltens- und Sprechweisen, durchschauen jedoch erst nach und nach ihr exzentrisch-erfolgreiches Machtspiel.

Voss, gekonnt gespielt von Manuel Holzer, gibt zu Beginn des zweiten Aktes gut gelaunt auf: „Die Gerechtigkeit macht Urlaub.“ Von nun an übernehmen regelrechte Bestien die Aufsicht in der Irrenanstalt, die zum Gefängnis umfunktioniert wird.

Der unglaublich gute und satirisch-pointiert geschriebene Text von Dürrenmatt hat seine Aktualität nicht verloren. In seinem Stück konkurrieren die Spione Kilton, im Auftrag der USA, und Eisler, im Auftrag der Sowjetunion um den angeblich wahnsinnigen Physiker Möbius, welcher wichtige und weltverändernde Entdeckungen gemacht hat – Dürrenmatt schrieb sein Stück zur Zeit des Kalten Krieges. Heutzutage prahlen Trump und Kim Jong-un, jeweils den größeren und mächtigeren „Atomwaffenknopf“ zu besitzen. Surreale Verhältnisse damals – surreale Verhältnisse heute.

Unglaublich witzig parodiert wurde Missionar Rose: bei Dürrenmatt ist er ein kreuzbraver, spießiger Psalme-Kenner, der vor scheinheiliger Christlichkeit trieft. In der MBG-Inszenierung von Barbara Laufs kam Missionar Rose, gespielt von Cedric Happes, im Hawai-Hemd und mit Flossen als minderbemittelte emotionale Heulsuse auf die Bühne.

Auch die drei Physiker, Emily Reisig, bzw. Florian Skarke (Aufführung zwei) als Möbius, Franziska Böhm, bzw. Marie Hambrecht als Albert Einstein (Eisler) und Jakob Ruch als Newton (Kilton) zeigten ihr schauspielerisches Talent und durchliefen im Laufe des Stücks emotionale Höhen und Tiefen.

Insgesamt bestach die Inszenierung von Barbara Laufs durch viele spielerisch-innovative Elemente: der Weltraumpsalm – bei Dürrenmatt sehr bedrohlich, eklig und warnend – wurde hier zur Spaßreise durch den Weltraum mit „Diskomucke“ und Lichterkugel.

Romantische Szenen, wie zum Beispiel zwischen Krankenschwerster Monika Stettler und ihrem Patienten Möbius, wurden bei Kerzenschein mit „Love is in the air“ musikalisch passend untermalt.

Besonders dramatisch wurde es im neu konzipierten Schlussteil: die verrückte Chefärztin, nun im Ganzkörper-Maler-Overall mit Tutu und Taucherbrille, tötet – die ganze Zeit über manisch kichernd – die drei Physiker, um die Weltherrschaft an sich zu reißen. Sie wird dabei mit einem Maschinengewehr von Uwe Sievers, Boxchampion im Militäranzug, gespielt von Veit Sauer, bewacht.

Ihr schauspielerisches Talent bewiesen auch Tessa Holtmann als Oberschwester Marta Boll, Lucy Kuhnert als Monika Stettler, Hai Nam Nguyen, der alle drei Söhne von Möbius spielte, Stefanie Weiss als Fräulein Rose und Lara Brecht als Gerichtsmediziner Blocher.

Schulleiter Joachim Philipp und Bürgermeister Frank Volk waren begeistert von den beiden Aufführungen am 15. und 16. Juni 2019: „Es ist unglaublich, was in euch steckt! Toll, was Barbara Laufs hier in den letzten Jahren aufgebaut hat!“, lobte Joachim Philipp die gesamte Theater-AG und ihre Leiterin.

Wir danken dem Freundeskreis für die finanzielle Unterstützung.