Spieletester in der Schule

Die seit Jahren bestehende Partnerschaft der Kunsthalle Mannheim (KuMa) und des MBG ist für beide Seiten anregend und gewinnbringend. Bei der jüngsten Kooperation durften einige Schülerinnen und Schüler der Klasse 5a, begleitet von ihrer Klassenlehrerin Vera Weisenberger, jetzt bei der Entwicklung eines ganz neuen Projekts mitwirken. „Die besten Unterrichtsstunden meines Lebens“, kommentiert Joël vorab begeistert. Die Idee entstand durch den Kontakt von Heiko Daniels, bei der KuMa zuständig für digitale Strategie und Neue Medien, und Kunstlehrer Frédéric Briend, der bereits in vielerlei Hinsicht mit der KuMa zusammengearbeitet hat.

Im Herbst soll der neue Clou der KuMa auf dem Markt erscheinen: MEMO ist der Name einer Spiel-App für Kids und Teens, die vor Ort im Museum gespielt werden soll, gefördert von der MFG Baden-Württemberg. Im Rahmen einer Abenteuergeschichte betrachten die Kinder mit der Kamera verschiedene Werke; dabei passieren per „augmented reality“ erstaunliche Dinge auf den Displays. Auf den Stationen ihres Wegs können die Kinder – natürlich virtuell – verschiedene Objekte von den Exponaten „einsammeln“. Mit diesen Gegenständen und Kleidungsstücken statten sie einen Avatar aus, der dreidimensional auf einer bierdeckelgroßen Marker-Plattform erscheint. Die Spiele-Designerin und Grafikerin Caty Blättermann mit ihrem Berliner Startup-Unternehmen Glam Games Caty Davis Blätttermann und Dimosthenis Gkantzos aus Stuttgart hat die App in einer Weise künstlerisch gestaltet, dass Kinder wie Erwachsene daran ihre helle Freude haben werden. Inzwischen ist die Entwicklung soweit ausgereift, dass sie „live“ getestet werden kann. Hier kam die 5a aus Neckargemünd zum Einsatz. Da aufgrund der Corona-Bestimmungen kein Ausflug nach Mannheim möglich war, wurde die Kunsthalle eben nach Neckargemünd „verlegt“ und die Aula zum Museum gemacht.

An Stelle der teils metergroßen Exponate traten relativ kleine Farbkopien, die im Foyer und der Aula verteilt waren – das tat aber der Spiel- und Entdeckerfreude keinen Abbruch. Die Kinder durften das Spiel zunächst auf Herz und Nieren prüfen. „Cool, mein Avatar hat jetzt eine Jogginghose an!“ – „Und ich hab mir Sneakers mitgenommen.“ – „Wow, mein Avatar sieht aus wie ein Geheimagent, aber er trägt keine Schuhe. Die hab ich für coolere Gadgets liegenlassen.“ Auch Schulleiter Joachim Philipp ließ es sich nicht nehmen, die App zu begutachten. Unterstützt von Heiko Daniels überzeugte er sich von der gelungenen Spielidee, die „alte Meister“ spielerisch mit zeitgenössischen Interpretationen im Comic- oder Street-Art-Stil verknüpft.

Im Nachgespräch mit dem Entwicklungsteam – vertreten durch Heiko Daniels und Christiane Wichmann von der Kunsthalle Mannheim, Johanna Attar von Klangerfinder Stuttgart und App-Entwicklerin Caty Blättermann – durften die Kinder zunächst all die Fragen loswerden, die ihnen auf der Seele brannten: Wie lang braucht man, bis ein Spiel fertig ist? Was muss man können, um Spiele-Entwickler zu werden? (Die beruhigende Antwort: „Da braucht man Menschen mit den unterschiedlichsten Talenten, die für ein bestimmtes Projekt zusammenarbeiten. Es ist also fast egal, was ihr in der Schule besonders gut könnt.“)

Dann erfüllten die Kinder ihre wichtige Aufgabe und versorgten das Entwicklerteam per Fragebogen und Gesprächsrunde mit Lob und Verbesserungsideen. Janick wünscht sich zum Beispiel die Möglichkeit, dem Avatar einen Namen zu geben; Laura möchte für den Avatar eine Hautfarbe wählen können. Leina möchte den Avatar fotografieren und verschicken können. Damon würde gern noch mehr Werke in das Spiel einbinden, um noch längeren Spielspaß zu haben. Die Erwachsenen schrieben die pfiffigen Ideen der Kinder eifrig mit und versprachen, einige davon noch vor der Veröffentlichung der App umzusetzen.  „Das Spiel ist lustiger als Brawl Stars“, lautet Joëls Höchstwertung. Auf die Frage: „Wer von euch hat Interesse, sich später mal mit Spiele-Entwicklung zu beschäftigen?“ schnellen über die Hälfte der Finger in die Höhe. Bis zur beruflichen Qualifikation wird es noch ein wenig dauern, aber Blättermann hat ein paar Tipps parat: In kostenlosen Entwicklungsumgebungen können schon Kinder erste kleine Smartphone-Apps programmieren. Einig sind sich die Kinder der 5a, dass sie sich auf die Veröffentlichung der App im Herbst freuen und dann baldmöglichst mit ihren Eltern in der KuMa die endgültige Version von MEMO mit den großen Kunstwerken durchspielen wollen. Immerhin hatten sie eine wichtige Rolle in der App- Entwicklung, und alle sind gespannt, welche Ideen und Anregungen der Kinder den Weg ins Endprodukt finden werden. (We)

 

„Wenn nicht jetzt, wann dann?“

Einweihung des Creative Lab am Max-Born-Gymnasium

Etwas außer Atem betritt Bürgermeister Frank Volk das Schulgebäude: „Ich musste erst noch den großen Rechner herunterfahren – wir haben so viel Geld für die Digitalisierung unserer Neckargemünder Schulen ausgegeben, dass mir ganz schwindelig wird.“ – Dass dieses Geld optimal angelegt ist und zudem auch noch aus anderen „Quellen“ ergänzt wurde, davon konnte sich Volk am 14. Juli 2020 am MBG überzeugen: Das neu eingerichtete „Creative Lab“ wurde offiziell eingeweiht. Ein transportabler Greenscreen (nutzbar z. B. als virtuelles Nachrichtenstudio) wird ergänzt durch einen großen Flatscreen-Monitor mit integriertem Apple AirPlay; zwei VR-Brillen ermöglichen das virtuelle Reisen in die entlegensten Gegenden der Erde, das Innere eines Bienenstocks oder der Blutgefäße des Menschen. An mobilen Stehtisch-Modulen stehen Lehrkräfte oder auch Schüler*innen-Gruppen in zwanglos-konstruktiver Atmosphäre oder sitzen auf Barhockern und diskutieren, beraten, probieren aus. Komplettiert wird das Angebot durch zwei Taschen mit insgesamt 20 voll ausgestatteten iPads mit Apple Pencils und jeder Menge Bildungs-bezogener Apps, die man für den Unterricht im Klassenzimmer ausleihen kann.

Schule der Zukunft? Sicher, aber am Max-Born-Gymnasium schon heute Realität. Ermöglicht wurde das von Kunstlehrer Frédéric Briend maßgeblich initiierte, mit viel Elan und Engagement immer wieder vorangetriebene und von großer Kreativität geprägte Projekt durch großzügige Spenden und Beteiligungen der Hopp-Foundation, des Freundeskreises des Max-Born-Gymnasiums, der Volksbank Neckartal und nicht zuletzt der Stadt Neckargemünd mit den ersten Geldern aus dem Digitalpakt-Budget. Volk: „Dieses Geld geben wir gern aus und tragen den Teil der Stadt zur Ausstattung unserer Schulen bei. Wenn nicht jetzt, wann dann? Jetzt gerade ist jedem bewusst geworden, wie wichtig die digitale Bildung ist, und wir setzen alles daran, diese Möglichkeiten gemeinsam im Zusammenwirken aller Beteiligten umzusetzen.“

Schulleiter Joachim Philipp freut sich über die verlässlichen Partner, die die Schule so regelmäßig und vielfältig unterstützen und gerade für dieses Projekt tief in die Tasche gegriffen haben. Mit Geldern des Digitalpakts werden zudem auch demnächst noch 12 weitere Klassenräume des Gymnasiums mit interaktiven Beamern und neuen Whiteboards ausgestattet. Besonders hebt Philipp das Engagement des Kollegen hervor. „Herr Briend hat hier viele Stunden seiner Zeit investiert – so wie auch andere Kolleginnen und Kollegen in der letzten Zeit über sich hinausgewachsen sind und die Schülerinnen und Schüler mit digitalen Mitteln durch die Zeit der Schulschließung und den Fernunterricht begleitet haben. Ohne solches Engagement wäre dies hier nicht möglich.“

Gepa Häusslein, Geschäftsführerin der Hopp-Foundation, stimmt zu: „Geräte allein machen noch keinen guten Unterricht. Alles wird getragen und umgesetzt von den Lehrkräften. Gerade auch für diese ist der geschützte Rahmen hier in diesem Kreativ-Raum Gold wert, weil man hier ausprobieren, Fehler machen, Hemmungen abbauen und sich gegenseitig unterstützen kann.“

Anita Weißenbach, Vorsitzende des Freundeskreises, lobt, dass die Schule bereits hervorragend digital aufgestellt sei, diese Ergänzung aber noch eine Lücke schließe. „Als die Schulen wegen Corona dichtmachen mussten, war es gut zu sehen, dass am MBG vieles quasi nahtlos weitergehen konnte, auch durch das große Engagement der Lehrkräfte und die bereits jetzt genutzten digitalen Möglichkeiten. In Zukunft können dann auch die Kinder noch einmal anders kreativ werden und zum Beispiel Erklärfilme, die sie während des Fernunterrichts vor allem angeschaut haben, künftig auch selbst erstellen.“

Briend versichert, dass selbstverständlich auch weiterhin mit Pinsel, Farbe und Tonklumpen gearbeitet werde, und auch das Lesen und Schreiben nicht abgeschafft werde. „Wir wollen die Kulturfertigkeiten ja nicht ersetzen, sondern ergänzen und unterstützen.“ Am Beispiel des Kunst-Unterrichts erläutert er die Möglichkeiten, die durch die Integration digitaler und analoger Methoden entstehen: „Eine Schülerin kann ein Foto ihres auf Papier begonnenen Kunstwerks digital weiterbearbeiten. So kann sie vorab herausfinden, wie z. B. das Einfügen einer Komplementärfarbe ihr Werk verändern würde, ohne dass sie gleich ihr Original-Produkt damit beeinflusst – man hat sozusagen eine Was-Wäre-Wenn-Option. Wenn sie mit dem digitalen Ergebnis zufrieden ist, setzt sie das dann in die Realität um, wieder mit Pinsel und Farbe.“

Auch die Möglichkeiten der „Augmented Reality“ stellt Briend vor: wenn aus alltäglichen Objekten vor dem Auge der iPad-Kamera dreidimensionale Filme werden, dann bieten sich ganz neue Möglichkeiten der Entdeckungsreisen. Auch Schulleiter Philipp, selbst Geschichtslehrer, berichtet von einer Studienfahrt, auf der man per VR-Brille die Umgebung der Altstadt in den Zeiten der Antike oder des Mittelalters betrachten konnte und so durch das direkte Erlebnis die damalige Welt ganz anders erfahrbar werde. Dies ist jetzt auch am MBG möglich „Da kommen dann die Alte und die Neue Welt ganz nah zusammen“, strahlt er.

Alexander Gärtner, Geschäftsstellenleiter in Neckargemünd der Volksbank Neckartal, staunt über die vorgestellten Möglichkeiten der digitalen Bildung: „So etwas hätte ich mir früher als Schüler auch gewünscht.“

Begeistert berichtet Briend von den Erfahrungen in seinem Kunst-Leistungsfach, wo die Schülerinnen und Schüler gemeinsam mit den neuen iPads arbeiten und sich gegenseitig bei Fragen und Problemen weiterhelfen, so dass selbst Briend als Experte noch manchen Kniff und Trick lernen kann. Das Creative Lab sieht er als Raum für den digitalen Bildungs-Aufbruch an der Schule. „Ich möchte hier gar nicht Tonangeber sein, sondern einen Ort für Treffen und Austausch untereinander schaffen. Deshalb ist hier auch alles so modular und flexibel, denn alles soll sich den Bedürfnissen der beteiligten Personen und den jeweiligen Zielen des Unterrichts anpassen.“ (We)